michaelasenn

Eine Freizeit Revue

Stellwerk, Innsbruck
2013

Die Arbeit in Gruppen ist die herausfordernste Art der Arbeit für Künstler. Es ist ja kein Kunststück, als Profikünstler dem Publikum gegenüberzutreten und ihm etwas vorzuzaubern bei entsprechender Beherrschung seines Metiers. In Gruppen integriert man die rezeptiven und die produktiven Aspekte in ein und derselben thematischen Arbeit. Man ist sich wechselseitig Rezipient und Produzent.

In die Gruppe flüchten ja nicht, wie man zumeist behauptet, lauter schwache Individuen; für Künstler bietet sich Gelegenheit, verschiedene, gleichermaßen begründete und entwickelte Ansprüche auf Individualität zu erheben. Ein schwach entwickelter Charakter kann einem stärker entwickelten das nicht zugestehen, nur in einer Gruppe von gleich entwickelten und prononcierten Persönlichkeiten ist das möglich. Dann ist die Arbeit in der Gruppe wirklich die entscheidende Utopie, weil man auf derselben Ebene produziert und rezipiert, kein Gefälle zwischen Laien und Profis in Anspruch nehmen muß, sondern hier würde es tatsächlich um die Erörterung der Sachverhalte selber gehen in der Zurechenbarkeit der Aussagen zu ihrem jeweiligen Urheber. Daß der Markt in der Kunst solche Arbeiten nicht akzeptiert, müßte uns eigentlich nicht interessieren, wenn sich nicht so viele Künstler davon abschrecken ließen, so zu arbeiten, weil es ziemlich sicher ist, daß sie auf dem Markt als Künstler keinen Erfolg haben werden. Andererseits ist das auch nicht schade, denn wenn Künstler von sich glauben, daß sie dazu sowieso nicht in der Lage wären und nur auf die Vermittlung von Macht, Geld und Unsterblichkeit ausgerichtet sind, dann sind sie in meinen Augen keine zeitgemäßen Künstler. Zeitgemäßheit definiert sich jetzt unabdingbar in einer Kultur diesseits von Macht, Geld und Unsterblichkeit. Das gilt es jetzt, wie überall sonst, auch in der Kunst einzusehen. Bislang hielt man nur Künstler für gruppenfähig, die über keine ausgeprägte Wirkungsabsicht verfügen; die tatsächliche Entwicklung zeigt jedoch eher das Gegenteil. Wenn sich in der Kunst das nicht durchsetzt, dann wird ihr das aufgezwungen werden von der Ökonomie und dem sozialen Bereich. Für mich ist das die einzige Form, in der ich eine Vorstellung von mehr als dem jetzt Möglichen erschließen kann. Das ist auch das Ideal der Wissenschaften gewesen. Wenn wir nichts davon retten, werden wir unsere Handlungsfähigkeit in der Wissenschaft und der Kunst verlieren. Die Wissenschaft hat den größten Teil ihrer Glaubwürdigkeit schon durch das Unverantwortlichwerden der Wissenschaftler eingebüßt. Der Fall Tschernobyl hat bewiesen, daß dort kein Mensch mehr die Verantwortung dafür übernimmt, was er als Wissenschaftler in die Welt setzt. Aber wo das Drohende ist, wächst auch das entsprechend Rettende. Und das ist nichts Höheres oder Ewiges, sondern die Einsicht in unsere ungeheuerliche Ohnmacht vor der Wirklichkeit. Das gelingt in Anerkennung des Alltäglichen und Banalen, des Selbstverständlichen als des Heiligen. Keine Erlösung im Jenseits, sondern die Anerkennung der eigenen Ohnmacht und Beschränktheit und der Verfallenheit an die Banalität, das Geschwätz, die Beiläufigkeit. Wer darin noch ohne Prätention zu philosophieren versteht, der wird noch zu Aussagen kommen, die einen gewissen Wert haben; alles andere ist doch nur die Fütterung des Unterhaltungsbedürfnisses und die Bedienung des Marktes. Bazon Brock

Stellwerk, Innsbruck
2013